Teplizumab: Kinder in Gefahr?

Wenn Kinder neu zugelassene Medikamente erhalten, wird die Anwendung streng überwacht.
Wenn Kinder neu zugelassene Medikamente erhalten, wird die Anwendung streng überwacht. ©Anke Thomass – stock.adobe.com

In den USA hat die Food and Drug Administration (FDA) Ende 2022 den Antikörper Teplizumab als Medikament zugelassen. Die Gabe von Teplizumab kann in frühen Stadien eines Typ-1-Diabetes den Ausbruch der Erkrankung verzögern. In Europa prüft die European Medical Agency (EMA) derzeit, ob das Präparat auch auf dem europäischen Markt zugelassen werden soll. In den sozialen Medien fragen sich besorgte Betroffene:
„Werden unsere Kinder als Versuchskaninchen für ein neues Medikament mit unbekannten Nebenwirkungen benutzt?“

Die klare Antwort ist: Nein.

Medikamente erhalten nur eine Marktzulassung, wenn sie nach strengen regulatorischen Vorgaben rigoros geprüft wurden – egal ob in den USA oder Europa. Bevor ein Wirkstoff die Zulassung erhält, wird er im Labor, an Tieren, an gesunden Menschen und schließlich an PatientInnen getestet. [Tierversuche sind ein Thema für sich, die Zulassungsbehörden fordern sie bis heute faktisch für die Zulassung jedes Wirkstoffes. Viele Sicherheitsaspekte eines Wirkstoffes können schon in Tieren auffallen und die Entwicklung eines Medikamentes wird dann nicht weiter verfolgt.]

Studienteilnahme ist freiwillig

Die Tests an Menschen können nur mit Hilfe Freiwilliger stattfinden, die sich bereit erklären, einen neuen Wirkstoff verabreicht zu bekommen. Dabei wird zuerst die Sicherheit des Wirkstoffs geprüft, in dem gesunde ProbandInnen geringe Dosen davon verabreicht bekommen. Später wird mithilfe freiwillig teilnehmender Patienten überprüft, ob der Wirkstoff die erwartete Wirkung zeigt.
Die Teilnahme an den Studien, die zum Zweck der Zulassung durchgeführt werden, ist immer freiwillig. Teilnehmende werden ausführlich über mögliche Risiken aufgeklärt und stimmen der Teilnahme zu. Im Fall von Kindern stimmen die Erziehungsberechtigten der Teilnahme zu. Auch die Kinder selbst werden in altersgerechter Form über das Verfahren und mögliche Auswirkungen aufgeklärt. Je nach Alter stimmen sie der Teilnahme gegebenenfalls zusätzlich zur Einwilligung der Erziehungsberechtigten zu.

Zulassungsstudien dauern Jahre

Auf die Zulassung eines Präparates folgt die sogenannte „Phase IV Studie“. Während das Medikament schon verschrieben und verabreicht wird, werden auftretende Wirkungen – erwünschte und unerwünschte – dokumentiert und ausgewertet. Das ist wichtig, weil nun eine viel größere Anzahl an Menschen den Wirkstoff bekommen, als in den Studien vor der Zulassung. Zulassungsstudien können nur von begrenzter Dauer sein und mit einer begrenzten Zahl Teilnehmender durchgeführt werden – sonst könnte nie ein Medikament auf den Markt gelangen. Allerdings begründen die Entwickelnden in der Regel auch, warum nach dem wissenschaftlichen Stand der Kenntnis keine langfristigen oder später auftretenden unerwünschten Wirkungen zu erwarten sind.

Patient:innen informieren behandelnde Ärzt:innen

In den USA ist Teplizumab seit Ende November 2022 auf dem Markt. Über 750 Personen haben die Infusionen bisher erhalten. Auftretende Nebenwirkungen sind gut dokumentiert. Dazu tragen auch die Patientinnen und Patienten bei, die ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte sorgfältig über auftretenden Effekte informieren. Die bisherigen Studien zeigen bereits, dass die Wirkung des Antikörpers im ersten Jahr nach der Gabe der Infusion abnimmt. „Das Medikament wird nicht im Körper der Patienten gespeichert“, erklärt Professorin Olga Kordonouri, Kinderärztin in der Kinderklinik Auf der Bult in Hannover. „Und sie ergeben keinerlei Hinweise darauf, dass im Körper irgendetwas langfristig modifiziert wird.“

Register über Grenzen: Nebenwirkungen schneller erkennen

Kordonouri plädiert auch dafür, mit der Einführung von Teplizumab in weiteren Zulassungsräumen (Europa, China, Indien…) ein internationales Register für auftretende Nebenwirkungen einzuführen. Solche Register gab es schon früher, etwa als Wirkstoffe gegen Autoimmunerkrankungen wie Colitis Ulcerosa oder bestimmte rheumatische Erkrankungen eingeführt wurden. Die Motivation für ein Register dieser Art ist klar: Je mehr Menschen gleichzeitig beobachtet werden, desto schneller fallen auch seltene Nebenwirkungen auf und werden mögliche Zusammenhänge mit Begleiterkrankungen oder Lebensumständen ersichtlich.

„So ein Register erhöht die Sicherheit für Patientinnen und Patienten, die das Medikament erhalten“, betont Kordonouri.

Über Uns

Der Deutsche Diabetiker Bund e.V. besteht aus dem Bundesverband und 8 Landes- bzw. Regionalverbänden. Kompetente Ansprechpartner finden Sie in der Bundes- und den Landesgeschäftsstellen, bei unseren Diabeteslotsen und Sozialreferenten, in Selbsthilfegruppen und bei den Rechtsanwälten aus dem Rechtsberatungsnetz des DDB.

Weitere Beiträge