Ein Austauschjahr während der Schulzeit, ein Auslandsemester im Studium, aber auch eine Zeit im Freiwilligendienst oder ein berufliches Sabbatjahr – es gibt gute Gründe, Zeit im Ausland zu verbringen. Wer in Deutschland gesetzlich versichert ist, hat dabei innerhalb Europas laut EU-Gesundheitsabkommen grundsätzlich Anspruch auf medizinisch notwendige Versorgung gemäß dem Standard im Zielland. Das gilt in den 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und im Vereinigten Königreich. Doch was, wenn die Reise weiter weg führt, etwa nach Asien, Afrika oder Südamerika? Wie läuft die Versorgung in nicht-EU Staaten, und wer kommt für die Kosten auf?
Tipps für die Recherche
Jetzt, wo das Schuljahr zu Ende geht und viele Menschen für die Zeit danach planen, erreichen uns vermehrt Anfragen zu diesem Thema. Der DDB kann in der Frage nach der passenden Versicherung keinen Marktüberblick geben. Vorstandsmitglied Michael Lomb, selbst Dipl. Sozialpädagoge mit beruflicher Erfahrung im Gesundheitswesen, gibt Betroffenen an dieser Stelle aber Tipps für die eigene Recherche:
Was die Versorgung vor Ort mit geeigneten Insulin-Präparaten, Applikationshilfen / Zubehör und Medikamenten betrifft, gilt:
- Übersichtliche Einstiegsinformationen finden sich auf der Webseite des Auswärtigen Amtes in der Kategorie ‘Sicher reisen’ -> Ihr Reiseland (https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/)
- Ihre individuellen Anfragen müssen Betroffene direkt mit Apotheken am Zielort klären. Gegebenenfalls kann in Absprache mit den behandelnden Ärzten die Therapie im Vorfeld an die Möglichkeiten im Zielland angepasst werden.
- Eine Anfrage bei der deutschen Botschaft im Zielland kann hilfreich sein, um die Versorgungsstrukturen vor Ort zu verstehen.
- Ein weiterer guter Anlaufpunkt für Informationen können nationale Selbsthilfeorganisationen und Interessenvertretungen im Zielland sein.
- Findet der Aufenthalt beispielsweise im Rahmen von Austauschprogrammen oder als Freiwilligendienst einer Organisation statt, kann diese eventuell beraten oder unterstützen. So bietet beispielsweise der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die weltweit größte Förderorganisation für den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftler:innen, eine Beratung zum Auslandsstudium für Menschen mit chronischer Krankheit. Einige entsendende Organisationen für Schüler:innen, Student:innen oder den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst arbeiten explizit inklusiv – unter anderem: ‘Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.’ / bezev und das von der EU-Kommission eingerichtete ‘Europäische Solidaritätskorps’. Sie beraten Menschen mit Interesse an einer Versendung individuell. Auch für das Freiwilligendienst-Programm ‘weltwärts’ bietet die Koordinierungsstelle (betrieben durch den Service ‘Engagement Global’) eine Beratung in Sachen Beeinträchtigung durch chronische Erkrankung für Interessierten an.
- Für den Transport von Medikamenten und Insulin auf Vorrat gelten die Einfuhr- und Zollbestimmungen des jeweiligen Ziellandes. Informieren Sie sich unbedingt frühzeitig – wer will schon am Flughafen im Zielland steckenbleiben. Informationen gibt z.B. die Botschaft des Ziellandes. Es ist sinnvoll, auf der Reise ein Attest der / des behandelnden Ärztin / Arztes mitzuführen (auch auf Englisch, Spanisch oder der Sprache des Ziellandes!). Das Attest bestätigt, dass die oder der Betroffene die mitgeführte Art und Menge an Medikamenten benötigt.
- Das Handgepäck fällt möglicherweise größer aus, als regulär zugelassen, wenn es einen Jahresvorrat an Medikamenten enthält. Der Frachtraum dagegen kommt für den Insulintransport nicht in Frage – hier kann es zu kalt werden. Melden Sie sich frühzeitig bei der Fluggesellschaft, um die Mitnahme notwendiger Medikamente im Handgepäck anzukündigen. Die Vorlage des Attests kann helfen.
- Insulin und bestimmte Medikamente müssen gekühlt transportiert werden. Gerade auf längeren Reisen in entfernte Teile der Erde ist das eine Herausforderung. Dafür sind spezielle Transportbehälter nötig. Eine Möglichkeit ist, die Fluggesellschaft um Aufbewahrung im Bordkühlschrank während des Fluges zu bitten. Auch hierfür ist ein ärztliches Attest ggf hilfreich.
Mit Blick auf die Kostenübernahme der medizinischen Versorgung rät Michael Lomb:
- In jedem Fall sollten Sie Kontakt zu Ihrer derzeitigen Krankenversicherung aufnehmen. Für gesetzlich Versicherte ist etwa zu klären, ob eine Abmeldung, eine Anwartschaft oder die Beibehaltung der Vollmitgliedschaft möglich / nötig ist und wie in dem Rahmen die Versorgung während des Auslandsaufenthaltes und nach der Rückkehr gewährleistet werden kann.
- Gegebenenfalls finanziert die Versicherung einen gewissen Vorrat an Medikamenten und/oder Hilfsmitteln (Achtung: Zollbestimmungen für die Einfuhr in das Zielland beachten!). Das Rezept für einen Halb- oder Jahresbedarf stellt die / der behandelnde Ärztin / Arzt aus.
- Einzelne deutsche Krankenversicherungen haben die Möglichkeit, im Rahmen der Kulanz oder ihrer Satzungsleistungen (Leistungen zusätzlich zu den gesetzlich festgeschriebenen) weitere Kosten zu übernehmen. In der Regel bedeutet das für die Versicherten, dass sie in Vorleistung gehen müssen. Diese Kosten sind also bei der Kalkulation für den Aufenthalt zu berücksichtigen. Die Kasse erstattet dann die Kosten in Höhe der Sätze des Ziellandes.
- Manche – private oder gesetzliche – Krankenversicherungen haben Kooperationspartner für längere Auslandsaufenthalte ihrer Versicherten. Ob das der Fall ist, müssen Sie bei Ihrer Kranken-Versicherung erfragen.
- Längere Auslandsaufenthalte sind grundsätzlich mit privater Krankenversicherung abzusichern – ob über Partnerversicherungen der bisherigen Krankenversicherung, eine deutsche Langzeit – Auslandskrankenversicherung, eine internationale private Krankenversicherung oder eine Krankenversicherung im Zielland. Achtung: Bei jeder Anfrage ist zu klären, ob Zielort, Zweck und Dauer des Aufenthaltes durch die Versicherung abgedeckt sind und ob die laufende Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln übernommen wird. Menschen mit chronischen Krankheiten müssen damit rechnen, eventuell verpflichtet zu sein, Risikozuschläge zu zahlen. Ein Versicherungs-Fachmakler kann bei der Suche nach einer Spezialversicherung behilflich sein. Ein entsprechender Maklerauftrag ist gegebenenfalls kostenpflichtig.
- Das deutsche Melderecht sieht vor, dass man sich abmeldet, wenn man keinen Wohnsitz in Deutschland behält. Mit der Versicherung ist zu klären, ob die Auslandskrankenversicherung gilt, wenn die oder der Versicherte keinen Wohnsitz in Deutschland (mehr) hat.
- Manche Entsendeorganisationen für den Freiwilligendienst oder Schüleraustausch / Auslandssemester haben die Möglichkeit, im Einzelfall Kosten zu übernehmen, die von der Krankenversicherung nicht abgedeckt sind. Die Frage nach der sogenannten Unterstützungsbedarfsfinanzierung ist jeweils im Einzelfall mit der Organisation zu klären.
Weiterführende, individuelle Beratung zu Auslandsaufenthalten mit chronischer Erkrankung bietet die ‘Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland’ (UPD; Patientenberatung.de). Die Beratenden können im Einzelfall an geeignete Ansprechpartner:innen verweisen.
Fazit: Längere Aufenthalte außerhalb des Geltungsbereiches der Europäischen Krankenversicherung wollen gut geplant sein, damit sie zu einer positiven Erfahrung werden. Dazu gehört – nicht nur – für Menschen mit einer chronischen Erkrankung, sich eingehend über die Bedingungen der Reise sowie die Regelungen im Zielland zu informieren. Das bedeutet einen gewissen Rechercheaufwand, der sich aber lohnt!
Wir danken der Organisation „Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit“ für die Informationen zu diesem Beitrag.
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Wie ist es bei Ihnen, bei Euch gelaufen? Wart Ihr schon einmal länger im nicht-europäischen Ausland, etwa für ein Austauschjahr oder ein Auslandssemester? Welche Erfahrungen habt Ihr mit Blick auf die Versorgung gemacht? Wo habt Ihr gute Beratung zum Thema Auslandskrankenversicherungen gefunden? Schreibt uns gerne! Kontakt@diabetikerbund.de