Abnehmspritze: Nicht auf Kassenrezept

Mensch mit Spritze
Mit dem Verordnungsausschluss für die 'Abnehmspritze' soll der Wirkstoff für die eigentliche Zielgruppe gesichert werden.

Die „Fett-Weg-Spritze“ ist nun offiziell von der Verordnung auf Kassenrezept ausgeschlossen. Der DDB Begrüßt diese Bestätigung geltenden Gesetzes durch den G-BA. „Wir hoffen, dass die Verfügbarkeit des Wirkstoffs für die eigentliche Zielgruppe der Menschen mit Diabetes sich nun verbessert“, sagt Michael Lomb.

„Jede Woche erhalten wir verzweifelte Anrufe von Menschen mit Diabetes, die ihre Medikamente nicht bekommen“, berichtet Michael Lomb, Bundesschatzmeister des DDB. „Sie laufen von Apotheke zu Apotheke und können ihre Rezepte für Ozempic® oder Trulicity® nicht einlösen.“ Im schlimmsten Fall bedeutet das für die Betroffenen, dass sie ihre verordnete Therapie auf ungewisse Dauer unterbrechen müssen.
So eine Unterbrechung macht gegebenenfalls eine länger erprobte Einstellung obsolet –
alles beginnt von vorne. Die Ungewissheit bereitet den Patienten*innen große Sorge: Wann kann die Therapie fortgesetzt werden, wird das überhaupt möglich sein? Bei vielen stellt sich ein Gefühl der Hilflosigkeit ein. „Aber auch Ärger“, ergänzt Lomb. „Ärger über das Gesundheitssystem, das Betroffene alleine lässt.“


Entwickelt für Menschen mit Diabetes


Die beiden Präparate mit den Handelsnamen Ozempic® (Wirkstoff: Semaglutid) und Trulicity® (Wirkstoff: Dulaglutid) wurden für Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt. Für den deutschen Markt stellt Novo Nordisk das Mittel Ozempic® her, die Firma Lilly produziert Trulicity®. Die enthaltenen Wirkstoffe gehören zur Gruppe der ‘GLP-1-Rezeptor-Agonisten’: Sie sind synthetische Nachbildungen eines Hormons, die im Körper einen Schalter betätigen, um die Ausschüttung von Insulin zu erhöhen.



Hype und Off-Label-Use 



Im vergangenen Jahr kürte das internationale Wissenschaftsmagazin ‘Science’ die Wirkstoffgruppe zum ‘Durchbruch des Jahres’. Dabei sind die Wirkstoffe lang bekannt, gepriesen wurde auch nicht ihr Einsatz gegen die Folgen des Diabetes. Neu ist ihre Anwendung zur Gewichtsreduktion, denn offenbar haben sie auch einen appetitzügelnde Effekt. Die Fachwelt erhofft sich eine medikamentöse Therapie der weltweiten Volkskrankheit Adipositas. Und in den sozialen Medien werden die Präparate geradezu gefeiert, Prominente wie Elon Musk berichteten über ihre Abnahme-Erfolge. Das hat den Off-Label-Use von Ozempic® und Trulicity® zur Gewichtsreduktion angeheizt, sie werden also nicht nur für den in der Zulassung beschriebenen Zweck eingesetzt, der Behandlung von Typ-2-Diabetes. Außerdem hat Novo Nordisk Mitte vergangenen Jahres ein Präparat mit einer höheren Dosis des Wirkstoffs Semaglutid auf den Markt gebracht. Dieses Mittel mit dem Handelsnamen Wegovy® ist für den Einsatz zur Gewichtsabnahme zugelassen. 


G-BA Entscheidung: Abhilfe gegen Knappheit?

Die Folgen des Off-Label Einsatzes von Ozempic® und Trulicity® sowie der Einführung von Wegovy® bekamen wiederum die Patient:innen zu spüren, die ihren Diabetes mithilfe von GLP-1-Rezeptor-Agonisten therapieren: Der Wirkstoff wurde knapp und es gab Lieferengpässe bei den Präparaten. Versuche der Arzneimittelbehörde, die Anwendung zur Gewichtsreduktion einzuschränken, schafften nicht hinreichend Abhilfe. Ende März hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der entscheidet, für welche Medikamente und Therapien gesetzliche Krankenkassen die Kosten übernehmen, nun in der Arzneimittelrichtlinie festgelegt: Das Präparat Wegovy® ist von der Verordnung auf Kassenrezept ausgeschlossen.



„Geht doch!“, war Michael Lombs spontane Reaktion auf die Meldung. Er hält die Entscheidung für ein wichtiges Signal und hofft mit anderen Typ-2-Diabetiker:innen auf eine Entspannung der Marktsituation. „Durch die nun von vornherein restriktive Verordnungsmöglichkeit sollte auch bei Folgepräparaten einem Abgreifen im engen Markt vorgebeugt und die Verfügbarkeit verbessert sein“, sagt er. Der DDB begrüßt diese Regelungen ausdrücklich, da damit die Versorgungssicherheit für die eigentliche Zielgruppe der Typ-2-Diabetiker leichter sichergestellt werden kann. „Wir hoffen, dass ein neuer Hype verhindert wird und die Wirkstoffe der eigentlichen Zielgruppe der Diabetiker:innen zur Verfügung stehen.“ 

Ob der Gesetzgeber angesichts der steigenden Zahl übergewichtiger Menschen, der gesundheitlichen Folgen starken Übergewichts und der daraus resultierenden Belastung für das Gesundheitssystem seine Haltung zu gewichtsreduzierenden Medikamenten derweil grundsätzlich überdenken wird – das steht vorerst auf einem anderen Blatt. Für alle Betroffenen bleibt zu hoffen, dass es künftig ausreichend Wirkstoff in ausreichender Menge und Qualität gibt, um auch das zu ermöglichen. 


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