Am 26. Februar trafen wir uns zum ersten „Treffpunkt Diabetes online“ in diesem Jahr. Zu Gast war der Psychologe Professor Dr. Bernhard Kulzer. Er sprach über die Bedrohung durch Folgeerkrankungen als Stressfaktor für Menschen mit Diabetes. Und er zeigte auf, wie wir dem Stress entgegenwirken können.
„Das Gespenst der Folgeerkrankungen ist eine ständige Belastung im Alltag von Menschen mit Diabetes“, sagte Bernhard Kulzer. Das Gemeine an der Sorge und Angst vor Folgeerkrankungen sei, dass Menschen die Wirkungen ihres Handelns im Alltag nicht direkt spüren können. Sei es Therapie, Sport oder Ernährungsverhalten: „Der Gewinn für das, was wir jetzt tun, liegt in einer unbestimmten Zukunft.“ Zudem ist der Zusammenhang zwischen dem Handeln im Jetzt und dem Auftreten einer Folgeerkrankung unsicher. „Diese Unsicherheit macht die Sorge vor Folgeerkrankungen so virulent“, sagt der Psychologe.
Gleichzeitig kann das Wissen um mögliche Folgen des Diabetes auch Motivation liefern, „Die Angst vor Folgeerkrankungen ist die wichtigste Motivationsquelle für das anstrengende Management des Alltags mit der Grunderkrankung. „Entscheidend ist das Ausmaß der Sorge“, brachte Bernhard Kulzer es auf den Punkt. Jüngere Menschen leben zum Beispiel häufig eher sorglos, was im Umgang mit einem Diabetes auch eine Gefahr darstellen kann. Zu viele Sorgen dagegen können ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen bedeuten.
Die Rate an Depressionen liegt bei Menschen mit Diabetes etwa doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der Bevölkerung. Befördert wird das Auftreten der psychischen Erkrankung nicht selten von Stress. Im Alltag belastet Menschen mit Diabetes besonders die Angst vor Blutzuckerschwankungen und hohen Glukosewerten. „Was dahinter steckt, ist auch das Wissen um die langfristigen Auswirkungen der Schwankungen, also die Sorge vor Folgeerkrankungen“, erklärte Bernhard Kulzer.
Resilienz lässt sich trainieren
Webinar-Angebot: „Resilienz bei bestehenden Folgeerkrankungen“
Am 13. März bietet die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft ein Webinar zum Thema „Resilienz bei bestehenden Folgeerkrankungen“ für Fachleute, Menschen mit Diabetes und alle Interessierten an. Dr. Berthold Maier, Psychotherapeut an der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim, wird aufzeigen, wie Menschen mit Diabetes und Folgeerkrankungen ihre Resilienz stärken uns damit psychischen Erkrankungen vorbeugen können. Das Webinar findet am 13. März von 18 – 19.30 Uhr per Zoom statt. Um daran teilzunehmen, klicken Sie bitte folgenden Link:
https://us06web.zoom.us/j/84657076440
Die Meeting-ID lautet: 846 5707 6440
Was hilft also, dem Stress entgegenzuwirken und sein Leben selbstbestimmt und möglichst angstfrei zu gestalten? Einen Schutzschirm namens Resilienz stellte der Psychologe und Experte in Sachen Diabetes den Teilnehmenden an diesem Abend vor. „Resilienz ist sowas wie das Immunsystem der Seele“, erklärte er. Die Eigenschaft schützt Menschen vor allzu schweren Auswirkungen negativer Einflüsse aus ihrer Umwelt. Und die gute Nachricht: Resilienz lässt sich trainieren.
Eine Grundsäule der Resilienz ist die Akzeptanz der eigenen Krankheit. Das ist leicht gesagt, wenn die Glukosewerte einem den Start in den Tag vermasseln, die Pumpe spinnt und die Support-Hotline unerreichbar ist, oder wenn der Diabetes zu Ausgrenzung und zwischenmenschlichen Konflikten beiträgt. Es gibt aber Strategien, die eigenen Akzeptanz auszubauen, die jede und jeder Betroffene erlernen kann.
Um Resilienz zu stärken und zu erhalten, ist auch die Selbstfürsorge wichtig. „Es gilt, eine gute Balance zwischen den Anforderungen des Alltags und Zeiten der Entspannung für sich selbst zu finden“, sagte Bernhard Kulzer. Und auch das kann man lernen! Ausgeruht und entspannt kann man mit auftretenden Problemen gelassener umgehen und konstruktive Lösungen finden.
Zur Person: Prof. Dr. Bernhard Kulzer ist Leiter des Forschungs-Instituts der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), arbeitet an der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim und forscht am Institut für Psychologie der Universität Bamberg